In letzter Zeit fand ich mich immer häufiger in Debatten über den Beruf der Honorardozentin im Integrationsbereich, die dort übliche Bezahlung und meine Unterrichtsmethoden wieder. Dieses Thema bringt mich aus verschiedenen Gründen schnell aus der Fasson und ich möchte – mehr therapeutisch als aus Mitteilungsdrang – die Situation niederschreiben.
Ich habe diesen Beruf gewählt, um mein Studium der Sprachlehrforschung in die Praxis umzusetzen und wollte nach einiger Zeit in die Theorie zurück (was im Hintergrund auch gerade geschieht). Im Grunde habe ich diesen Beruf immer sehr geschätzt, aber die Rahmenbedingungen sind unhaltbar.
Das Kurssystem
Es hakt an mehreren Stellen, die hier nicht alle Platz haben. Ein großer Punkt ist das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das BAMF legt unter anderem fest, welche Lehrwerke in Integrationskursen verwendet werden dürften und stellt die Einhaltung durch Kontrolleure sicher, die – meist unangemeldet – im Unterricht hospitieren. Weicht ein Dozent von diesen Lehrwerken ab und wird von einem Kontrolleur erwischt, drohen dem Kursträger (und folglich auch dem Dozenten) empfindliche Strafen.
Überdies sind die Kurse in der Regel sehr heterogen, was die Lernerfahrung der Teilnehmer angeht. Das liegt hauptsächlich darin begründet, dass das BAMF die finanziellen Mittel nach Teilnehmerquote an die Kursträger verteilt, so kann sich in Städten mit „nur“ 240.000 Einwohnern keiner erlauben, etwa einen Kurs mit langsamer Progression oder einen für Eltern einzurichten.
Ich persönlich unterrichte eine Art „Fortsetzungskurs“, der sich darauf ausrichtet, die Teilnehmer in Arbeit zu bringen. Ich kann und muss mir meine Materialien selbst aussuchen, bin aber gezwungen, Lernfortschritt zu erreichen. Sonst … richtig, wieder emfindliche Strafen. Zum Beispiel könnte das BAMF entscheiden, meinem Kursträger diesen Kurs zu entziehen. Dann ist mein Job weg und der von drei meiner Kollegen auch. Will ich das verantworten? Irgendwie nicht.
Die Methoden
In der Konsequenz bedeutet die Lehrwerksbestimmung des BAMF in Integrationskursen den Wegfall von selbst erstellten Aufgaben, freien Unterrichtsmethoden wie etwa das Lesen einer Tageszeitung und vor allem verhindert es weitestgehend die Möglichkeit, auf individuelle Bedürfnisse der Lerner einzugehen (was angesichts der Heterogenität schon schön wäre).
In meinem Kurs muss ich dieser Liste nicht folgen, wobei das BAMF im direkt Konzept schreibt, dass passendes Material auf dem Markt nicht verfügbar ist, aber das sei Sorge des Dozenten. Fluch und Segen also: Ich kann im Unterricht machen, was ich gut heiße, muss aber die Materialien selber erstellen.
Was persönliche Auseinandersetzungen mit meinen Methoden angeht, so kann ich sagen: Nee, super finde ich das auch nicht immer. Allerdings ist eine gewisse Bereitschaft auf Lernerseite unabdingbar für jeglichen Fortschritt in puncto „Deutsche Sprache“. Wenn ich da nun also 20 Erwachsene mit größtenteils sehr altmodischen und strikten Lernerfahrungen vor mir sitzen habe, müssen diese Erfahrungen Berücksichtigung finden, da ich andernfalls auf massiven Widerstand stoße. Es passierte in der Vergangenheit nämlich regelmäßig Folgendes: „Ich will nicht über aktuelle Zeitungsartikel sprechen, ich will nicht Bewerbungsgespräche üben, ich will lernen!“ – „Wie möchten Sie denn lernen?“ – Und dann wurde gefordert, Lückentexte zu bearbeiten und Verben zu konjugieren, was das Zeug hält. Gehe ich nicht ausreichend auf derartige Wünsche ein, ernte ich schlechte Laune und Ablehnung. Ich muss meine Lerner also erst an meine Vorgehensweise gewöhnen. (Zusätzliche Anmerkung: Nicht alle Methoden, die von irgendwem mal als schlecht bewertet wurden, sind es tatsächlich. Es ist oft eine Frage der Situation, der Thematik und der Häufigkeit.)
Der schnöde Mammon
Was das BAMF hier betreibt, ist ein schlechter Witz. Kurz: Sie fordern ein Mindesthonorar (€ 18) und drohen mit Lizenzentzug für den Kursträger, sollte selbiges länger als ein Jahr unterschritten werden. Diese Drohung wird aber längst nicht immer in die Tat umgesetzt und viele Dozenten erhalten ein deutlich geringeres Honorar.
Ich habe Glück. Irgendwie zumindest, denn mein Honorar beträgt dank der Finanzierung durch den ESF (Europäischen Sozialfond) stolze € 20,50 pro Unterrichtseinheit. Klingt jetzt erstmal gut und im Vergleich mit anderen Honorardozenten ist es das auch. Rechnen wir mal: 45 Minuten Unterricht plus Vor- und Nachbereitung ergeben circa zwei Stunden Arbeit. Das dürfte jedem im Lehrberuf bekannt vorkommen; ich habe halt keine Klausuren, dafür weniger bereitstehendes Material. Als freiberufliche Lehrerin zahle ich den Krankenkassenbeitrag für Selbständige (insg. 17,1%) und sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil der Rentenversicherung (20%). Also haben wir *schwupps* netto € 6,45 pro Stunde. Wenn ich es schaffe, € 11.000 im Jahr zu verdienen, gehen da noch Steuern ‚runter. Aber das ist unwahrscheinlich. Viel trauriger ist allerdings, dass viele Dozenten in Integrationskursen nur € 12 pro Unterrichtseinheit bekommen. Traurig trifft es nicht, unverschämt ist deutlich besser.
Und das betrifft alle Honorarkräfte: Ist man krank, hat der Kurs Ferien, entsteht eine Pause zwischen zwei Kursen – verdient man nichts.
Warum ich das noch mache? Mit meinem Studium kann ich diesen Beruf ausüben oder arbeitslos sein. Ene, mene, muh.